SS-relevantes Gebäude: Dresden-A., Lothringer Weg 2

Die "SS-Mullah-Schule" in Dresden
Das Gebäude "Lothringer Weg 2" wurde bis ca. Ende 1943 als sogenanntes "Judenhaus" genutzt.
Vermutlich im Frühjahr 1944 wurde in Dresden durch die SS bzw. dem Auslandsnachrichtendienst der SS (Amt VI G im RSHA.) mit dem Aufbau einer Schule für islamische Geistliche aus der damaligen UdSSR bzw. Zentralasien ("Turkestan") begonnen. Diese Schule wurde auch umgangssprachlich als "Mullah-Schule" bezeichnet. Sie war eine Sonderinstitution der Arbeitsgemeinschaft Turkestan e.V., Abteilung Islam (AT). Amin al-Husaini (1895-1974), Araber und Großmufti von Jerusalem, erhielt die Aufgabe, das Lehrerpersonal auf Eignung zu prüfen. Er war bei der Schuleröffnung anwesend.

Das Schulgebäude
Als Schulgebäude wurde die Villa "Lothringer Weg 2" angemietet. Ein Erinnerungsbericht des SS-Führers Dr. med. Reiner Olzscha (1912-?) aus dem Jahr 1945 gilt als grundlegendes Dokument für die Beschreibung des Aufbaus und den Betrieb der "Mullah-Schule". Dr. Olzscha schreibt (zitiert nach van Koningsveld) : "[…] Mit der Suche nach einem Grundstück beauftragte ich Dr. Schloms. Nach langwierigen Verhandlungen gelang es die Villa in Dresden-Blasewitz, Lothringerweg 2 zu erhalten. Durch Verhandlungen mit allen möglichen Leuten bin ich schließlich zu dem wissenschaftlichen Bearbeiter der asiatischen Abteilung des Museums in Berlin gekommen. Er hieß Dr. Erdmann, hatte eingehende Kenntnisse über architektonische und islamische Kulturfragen und war bereit, die islamische Ausgestaltung zu übernehmen. Zusammen mit dem Architekten Mellis in Berlin und einem von Schloms beauftragten Dresdner Innenarchitekten ist dann eine Umgestaltung des Inneren der Villa vorgenommen worden, die den Ansprüchen des zunächst vorgesehenen Lehrers (Dr. Murad) gerecht wurde. Die große Eingangshalle wurde mit Mosaik-Imitation nach dem Vorbild zentralasiatischer Moscheen und mit Koransprüchen ausgeschmückt. Ein Raum wurde mit gleichen Motiven versehen und mit einer Gebetsnische ausgestattet und sollte als Betsaal dienen. Weiter war ein, später ein weiterer Unterrichtsraum und ein großer Gemeinschaftsraum sowie ein Unterhaltungszimmer vorgesehen. Der Hauptlehrer hatte ein eigenes Arbeitszimmer und die übrigen Räume waren als Wohn-Schlafzimmer für die Schüler und die Lehrkräfte vorgesehen. Die ganze Schule war als Internat gedacht, wo gewohnt, unterrichtet, gegessen und geschlafen wurde. Bewegungsfreiheit war durch einen großen Garten gegeben.
 Villa "Lothringer Weg 2" (Quelle: altesdresden.de)
Um das Innere möglichst echt zu gestalten, wurden islamische Kultgegenstände (Vasen, Gefäße, Photos, usw.) beschafft und Bücher islamischen Inhalts angekauft. Alles dies besorgte größten Teils Dr. Murad, einen anderen Teil habe ich in Paris eingekauft. Später lieh Prof. Idris noch Bücher aus seinem Privatbesitz, weil die bisher beschafften Werke für Unterrichtszwecke unbrauchbar waren. Diese Ausgestaltung der Villa dauerte über ein halbes Jahr. In der Zwischenzeit hatte ich die Suche nach Lehrkräften begonnen. […] Nachdem der Lehrerbestand allmählich vervollständigt wurde – […] – kam auch der Lehrbetrieb ab Sept. 44 etwa in Gang, nachdem eine Reihe von Schülern bereits etwas früher eingetroffen waren. […]".

Der Schulbetrieb
Am 26. November 1944 wurde die Schule offiziell durch den SS-Führer Walter Schellenberg, Chef des Amtes VI des RSHA.(SD-Ausland), eröffnet. Ein Entwurf und eine Zusammenfassung seiner damaligen Rede ist überliefert. Daraus folgende Ausschnitte :
Einleitung der Rede von W. Schellenberg (Quelle: NARA)
Ausschnitt der Zusammenfassung (Quelle: NARA)
Schlußteil der Zusammenfassung (Quelle: NARA)
Am 27.11.1944 sendet Amin al-Husaini folgendes Fernschreiben an den RFSS Heinrich Himmler, welches auch auf die enge Verbindung zwischen Schule und SS-Organisation hinweist:
Fernschreiben v. 27.11.1944 (Quelle: NARA)
Dr. Olzscha berichtet weiter : "[…] Wie erwähnt, sollte die Schule anfangs als Institution des Amtes VI [des Reichssicherheitshauptamtes der SS (RSHA.)] aufgezogen werden. Sehr bald erweiterte sich aber der Zweck und zuletzt sollte die Schule für die Ausbildung überhaupt von mohammedanischen Geistlichen dienen ohne daß im einzelnen feststand, was aus den Leuten werden sollte. Zunächst sollte ein Teil ohnehin nach kurzer Ausbildung zur Truppe, als sog. ‘Feld-Mullah’. Der kleinere Teil, besonders fähige oder interessierte Leute, sollten einen Fortgeschrittenen–Kurs mitmachen und nach dessen Beendigung als Hilfslehrer mitwirken. Allmählich sollten sie sich also immer weiter bilden. […] Die Kursdauer war anfangs auf mindestens 1-2 Jahre angesetzt, weil VI C 1-3 [Amt VI RSHA.] Zeit hatte und diese Zeit beim Fehlen jeder Vorkenntnisse von Sachverständigen (Prof. Hartmann, Prof. Idris) als Minimum gefordert wurde. Nachdem aber die Vereinbarung mit der Dienststelle des Gen. der Freiw.-Verbände getroffen worden war, wurde sie für den größten Teil der Feldmullah auf höchstens 3 Monate beschränkt. Nach diesem Schema sollten also jährlich mehrere Kurse stattfinden. Der erste Kurs wurde Ende 44 beendet. Die Leute sollten nach Angabe des Heeres zu den einzelnen Truppenteilen zurückgeschickt werden. Infolge der ständigen Truppenverschiebungen und des organisatorischen Wirrwarrs erfolgten aber die vorgesehenen Abberufungen nicht und die Leute waren noch im Februar [1945] da. Lediglich diejenigen, die SS-Angehörige waren, sind zum Osttürkischen Verband abgegeben worden, vereinzelte sind wohl auch ohne besondere Weisung des Gen. der Freiwilligen zur Truppe weggeschickt worden. Jedenfalls sind die Teilnehmer der Mullahschule, die vom Dresdener Brand überrascht wurden [13.2.1945], alle nur vom 1. (und einzigen) Kurs übrig geblieben. Es handelte sich nach meiner Schätzung um ungefähr 20 Männer. Sie sind in Weißenfels untergebracht worden […]“.
Die Zerstörung des Gebäudes "Lothringer Weg 2" wurde u.a. von einer Historikerkommission der Stadt Dresden dokumentiert :
Kartenausschnitt mit Zerstörungsgrad (Quelle: Stadt Dresden)
Zusätzlich existierte bereits ab Frühjahr 1944 in Guben eine durch das SS-Hauptamt initiierte Bosnische „Mullah-Schule“ zur Ausbildung von Feldgeistlichen für die 13. Waffen-Gebirgs-Division der SS „Handschar“.