SS-genutztes Gebäude: Dresden-Wachwitz, Am Steinberg 14, "Wollner-Villa"

SS.-Sonderkommando "Sachsen"
Nachdem ein Aufstellungsstab im September 1933 im Gebäude Marienstraße 17  in Dresden-Altstadt organisiert wurde, begann man Oktober 1933 mit der Zusammenfassung von SS-Angehörigen zu einer kasernierten SS-Einheit in der "Wollner-Villa". Dies geschah unter der Führung des hessischen SS-Führers und späteren Kommandanten mehrerer Konzentrationslager Karl Otto Koch (1897-1945). Das sogenannte SS-Sonderkommando "Sachsen" verblieb bis April 1934 in der "Wollner-Villa" in Dresden-Wachwitz.
Übersicht Gebäudelage im Stadtgebiet Dresden (Quelle: google earth)
Gebäude und Grundstück
Das Land Sachsen als Eigentümer vermietete vermutlich das Gebäude mit Grundstück an die NSDAP., welche wiederum der SS als Parteigliederung die Anlage zur Verfügung stellte. Die Grundstücksgröße betrug damals schätzungsweise 3 ha., wobei den größten Teil ein weitläufiger Park bis hinab zur Pillnitzer Landstraße einnahm.
Grundstück "Am Steinberg 14" in Dresden-Wachwitz
Anmerkung : Kartenausschnitt aus "Stadtplan von Dresden - Bl.5, 1:10 000, Lithographie, 1941"
Verwalter: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Inv.-Nr.: SLUB/KS 31978,5; Aufnahme-Nr.: df_dk_0009075_0005; Datensatz-Nr.: obj 90049357

Aus dem Jahr 1930 sind Grundrisszeichnungen des Villengebäudes überliefert. Man kann davon ausgehen, daß keine wesentlichen Umbauarbeiten im Jahr 1933/34 stattfanden, deswegen können die überlieferten Zeichnungen möglicherweise einen guten Einblick in die Nutzung des Gebäudes geben. Folgende Situation läßt sich ableiten:
a) Untergeschoss: Küche mit Wohnraum Küchenpersonal, Vorratsräume, Heizung mit Kohlenkeller, Bad-und WC-Räume; Nutzfläche ca. 340 m²
b) Erdgeschoss: Halle mit Treppenanlage, Tages-und Schulräume, Speiseraum mit Anrichte (Erker), Stabszimmer; Nutzfläche ca. 350 m²
c) Obergeschoss: 5 Mehrbetten-Schlafräume, 1 Zweibetten-Schlafraum, WC-und Badräume; Nutzfläche ca. 310 m²
d) Dachgeschoss: 1 Schlafsaal, 4 Zweibetten-Schlafräume, WC-Raum; Nutzfläche ca. 150 m²
Aufgrund dieser Raumstruktur wird eine mögliche Belegungsstärke von ca. 50-60 Personen geschätzt. Dies entspricht der Stärke eines Sturmes (= Kompanie) und somit war es nicht verwunderlich, daß der neu gebildete 2.Sturm unter Adolf Ellenberger vorübergehend im Schloß Augustusburg untergebracht wurde.
histor. Postkarte "Wollner-Villa", ca. 1930 (Quelle: FSB-Archiv Moskau)
Das Personal
Außer Karl Otto Koch gehörten zu den hier erstmalig kasernierten SS-Angehörigen u.a. folgende spätere Lagerkommandanten bzw. Lagerführer verschiedener Konzentrationslager:
Hans Hüttig (1894-1980),
Gerhard Palitzsch (1913-1944),
Bruno Pfütze (1912-1945) und
Fritz Seidler (1907-1945).
Ostansicht "Wollner-Villa" (Quelle: FSB-Archiv Moskau)
Chronik
1.10.1933:
SS-Sturmführer Karl Otto Koch wird beim SS-Abschnitt II in Dresden, Marienstraße 17, mit der Aufstellung und Führung des SS-Sonderkommandos „Sachsen“ beauftragt“. Wahrscheinlicher Beginn der Belegung der "Wollner-Villa".
20.10.1933:
Eintritt von mindestens 5 SS-Angehörigen in das SS-Sonderkommando (Götz, Häberlein, Heinrich, Launer, Sulzbach, Seidler)
1.11.1933:
Eintritt von mindestens 8 SS-Angehörigen in das SS-Sonderkommando (Gerke, Körbel, Kurtz, Müller, Prokoph, Sack, Schulz, Weisse)
6.11.1933:
Der SS-Oberabschnitt „Elbe“ befiehlt dem SS-Abschnitt II die Aufstellung einer Politischen Bereitschaft.
20.11.1933:
Eintritt von mindestens 6 SS-Angehörigen in das SS-Sonderkommando (Dittrich, Frotscher, Hüttig, Kaltofen, Klipphahn, Stolze)
24.11.1933:
Der SS-Abschnitt II meldet dem übergeordneten SS-Oberabschnitt „Elbe“ die begonnene Aufstellung einer Politischer Bereitschaft, welche in Stürme gegliedert und zu einem Sturmbann zusammengefasst wird. Mit der Führung dieses Sturmbannes, welcher dem SS-Abschnitt II direkt unterstellt ist, wurde der SS-Sturmführer Karl Otto Koch beauftragt.
30.11.1933:
Eintritt von mindestens 4 SS-Angehörigen in das SS-Sonderkommando (Lohse, Russig, Senf, Viererben)
5.12.1933:
Eintritt von mindestens 4 SS-Angehörigen in das SS-Sonderkommando (Hauk, Hensel, Sparmann, Weigelt)
Ende 1933:
Das Sonderkommando besitzt eine ungefähre Stärke von 30-50 SS-Angehörigen.
2.1.1934:
Eintritt von mindestens 1 SS-Angehörigen in das SS-Sonderkommando (Heinke)
8.1.1934:
Karl Otto Koch wird zum SS-Sturmführer „zur besonderen Verfügung (z.b.V.)“ beim SS-Abschnitt II ernannt.
15.1.1934:
Aufstellung des 2.Sturmes unter Führung von SS-Sturmhauptführer Adolf Ellenberger. Höchstwahrscheinlich bildeten Angehörige des 1.Sturmes das Stammpersonal für den 2. Sturm. Der 2.Sturm wurde in der sogenannten "NS.-Gauführerschule Sachsen" im Schloß Augustusburg untergebracht.
15.-18.1.1934:
Eintritt von mindestens 2 SS-Angehörigen in das SS-Sonderkommando (Falke, Pohle)
4.-7.2.1934:
Eintritt von mindestens 24 SS-Angehörigen in das SS-Sonderkommando (Blechschmidt, Butter, Franke, Freund, Grimm, Hänsel, Herwig, Hirte, Jurisch, Kademann, Kästner, Keller, Menzel, Palitzsch, Petermann, Pfütze, Ploss, Pomsel, Rathgeber, Schellong, Schneider, Seipold, Ullmann, Weinert)
9.3.1934:
Geburtstag des Gauleiters Martin Mutschmann. Zu diesem Zweck hatte lt. Zeitungsbericht "ein Sonderkommando der SS. vor der Gauleitung Aufstellung genommen".
15.3.1934:
Beförderung von Karl Otto Koch zum SS-Obersturmführer
15.-19.3.1934:
Eintritt von mindestens 4 SS-Angehörigen in das SS-Sonderkommando (Naumann, Pohl, Richter, Starke)
1.4.1934:
Beginn mit Umzug des 1.und 2.Sturmes von der "Wollner-Villa" nach Dresden-Trachenberge, Weinbergstraße 52-54, in das ehemalige "Maria-Anna-Kinderhospital". Die Personalstärke betrug zu diesem Zeitpunkt ungefähr 100 SS-Angehörige.
19./20.10.1935 - Ehemaligentreffen : Die SS-Angehörigen, welche bereits in Wachwitz in das SS-Sonderkommando "Sachsen" eingetreten waren, und später der SS-Wachtruppe "Sachsen" im Konzentrationslager Sachsenburg angehörten, verbrachten den Sonnabend und Sonntag in Dresden, wobei sicherlich ein Besuch der "Wollner-Villa" obligatorisch war.
Blick vom parkseitigen Balkon elbaufwärts (Quelle: FSB-Archiv Moskau)
SS.-Sportschule
Anschließend war in der "Wollner-Villa" eine SS-Sportschule untergebracht, welche u.a. eine Sportausbildung für die lokalen SS-Einheiten durchführte. Im Mai/Juni 1934 wurde als erster Schulleiter der Dresdner Walter Vogt (1899-?) eingesetzt. Walter Vogt gehörte seit Dezember 1933 der SS an. Wie bereits sein Vater übte er den Beruf eines freischaffenden Bildhauers aus. Walter Vogt war mehrfacher Gaumeister im Skisport in Sachsen. Im Juni 1934 übernahm Gerhard Martschke aus Bautzen (1908-?) die Schulleitung. Ebenfalls im Juni 1934 wurde Wilhelm Körbel (1912-1988) aus Homberg (Hessen) als militärischer Ausbilder an die SS-Sportschule nach Dresden-Wachwitz vom SS-Sonderkommando "Sachsen" abkommandiert.

Anmerkung : Die hier gezeigten historischen Fotoaufnahmen stammen sämtlich aus einem  Fotoalbum von Karl Otto Koch, welches im FSB-Archiv Moskau aufbewahrt wird. Die Digitalisate wurden dankenswerterweise von der Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Verfügung gestellt.