"SS-Eheschließungen" in Ostsachsen

Unter den Begriffen „SS-Hochzeit“ oder „SS-Eheweihe“ vermutet man ritualisierte, speziell ausgestaltete Feiern ähnlich der kirchlichen Trauungen. Doch genau dies war seitens der SS-Führung nicht gewollt. Vielmehr verblieb die Durchführung der Eheschließung im Zuständigkeitsbereich der Standesämter. Andererseits sollte die Aufnahme der Ehefrau in die „SS-Gemeinschaft“ besonders feierlich hervorgehoben werden.
Eine Erläuterung findet man dazu in der zeitgenössischen Grundlagenschrift von SS-Führer Fritz Weitzel: „Die Gestaltung der Feste im Jahres- und Lebenslauf in der SS-Familie“ aus dem Jahr 1935. Er schreibt: „Die Eheschließung oder Trauung erfolgt vor dem Standesamt. […] Mit der standesamtlichen Eheschließung ist das Paar Mann und Frau geworden. […] Für uns SS-Männer kommt nun noch die Aufnahme der Frau in die SS-Sippengemeinschaft in Betracht. […]“.
Das folgende Foto wurde im Sommer 1937 in der Gaststätte „Italienisches Dörfchen“ in Dresden aufgenommen. Es zeigt SS-Angehörige des SS-Sturmes Dresden-Altstadt (5/46), welche in Kreisform um das Brautpaar Aufstellung genommen haben.
„Italienisches Dörfchen“: SS-Feier im Sommer 1937 (Foto: privat)
Eine ungefähre Vorstellung über den Inhalt der dabei verwendeten Worte erhält man ebenfalls aus der o.g. Schrift: „[…] Der Einheitenführer oder ein dem Paar besonders nahestehender Kamerad, der die Frau in die SS-Sippengemeinschaft aufnimmt, sitzt dem Paar gegenüber. Vor Beginn des Essens oder während des Essens, zwischen zwei Gängen, spricht nun der SS-Kamerad zu den Neuvermählten. In seinen Worten muß er ganz besonders den Wert der Ehe für die Erhaltung des Volkes und für die Sippengemeinschaft der SS hervorheben. Er soll eingehen auf das Wort „Meine Ehre heißt Treue“, das nunmehr auch für die Frau verpflichtend ist, ebenso wie sie nunmehr den SS-Gesetzen untersteht. Er soll weiter darauf hinweisen, daß der SS-Mann, die SS-Frau, die treu zueinanderhalten, ihre Pflicht tun und wertvolle Glieder unserer Gemeinschaft sind, immer in dieser Gemeinschaft geborgen sein werden. Mit der ernsten Mahnung, immer der hohen Aufgabe der Frau und künftigen Mutter eingedenk zu sein, die Gesetze der SS zu achten und nach ihnen zu leben, nimmt der Sprecher die Frau in die Sippe der SS auf. […]“.
Ein weiteres Foto ist aus dem selben Zeitraum vom 2.Reservesturm der 46.SS-Standarte überliefert. Es zeigt den Einheitenführer SS-Untersturmführer Alfons Erler aus Löbtau sowie das Brautpaar. Der Entstehungsort konnte bisher nicht ermittelt werden. Bemerkenswerterweise hält hier die Braut einen SS-Dolch wie ihr Ehemann, ein SS-Scharführer, in der Hand, obwohl "Dolchübergaben" an die Braut lt. Weitzel ausdrücklich zu unterlassen waren.
A.Erler (2.v.l.) mit Holzteller u. Brot sowie das Brautpaar mit SS-Dolchen (Foto: ns-kunst.com)
Fritz Weitzel führt weiter aus: „Mit dieser Aufnahme [der Ehefrau in die „SS-Sippengemeinschaft“] soll die Überreichung eines Geschenkes, das auf die Ehe oder die Frau und Mutter Bezug hat, verbunden sein. Hierfür eignet sich ein besonders ausgewähltes Buch mit Widmung oder ein Bild. Schön ist auch der Brauch, einen Holzteller mit Salz und Brot und zwei Bechern aus Steingut oder Porzellan zu überreichen.
Zeitgenössischer Holzteller (Foto: ns-kunst.com)
Dieses Geschenk versinnbildlicht die einfache Lebenshaltung, die wir nie vergessen dürfen. Die Worte des Sprechers sollen ausklingen in ein „Sieg Heil“ auf den Führer und das junge Paar. […]“.
Die zentrale Bedeutung dieses Familienfestes für die Weltanschauung der SS wird u.a. dadurch belegt, daß noch mindestens bis Juni 1944 Eheschließungen durch SS-Angehörige begleitet wurden. Zum Beispiel wurde eine „SS-Ehrenwache“ anlässlich einer Hochzeit in Pirna durch die örtliche SS-Einheit gestellt.